Am 25. April 2024 kamen mehr als 90 Gäste zum „Europäischen Bürgerdialog: Die Stimme Aschaffenburgs zur Europawahl 2024“ in das Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium in Aschaffenburg. In sechs verschiedenen Themenräumen diskutierten die Teilnehmenden mit Expert*innen über die Europawahl, die Arbeitsmarkt- und Geldpolitik der EU, die klimapolitischen Errungenschaften Europas, europäische Fördermittel und viele andere Themen.
Neben Mitgliedern der Europa-Union Aschaffenburg, Lehrer*innen und Schüler*innen des Dalberg-Gymnasiums und zahlreichen interessierten Aschaffenburger*innen, waren auch 7 Junior-Europabotschafter*innen des Dalberg-Gymnasiums anwesend, die die Veranstaltung tatkräftig unterstützten und sich leidenschaftlich an den Diskussionen beteiligten.
Nach einer feierlichen Begrüßung der Anwesenden durch die stellvertretende Vorsitzende der Europa-Union Aschaffenburg, Maili Wagner, folgte ein Grußwort des Oberbürgermeister Jürgen Herzing, in dem er die Chancen und aktuellen Herausforderungen der EU beleuchtete. Dabei betonte er: „Ich bin optimistisch, dass Europa eine Zukunft hat, wenn wir gemeinsam handeln.“
Anschließend teilten sich die Besucher*innen auf die sechs Themenräume auf. Aufgrund der unterschiedlichen thematischen Bereiche, die durch die Räume abgedeckt wurden, variierte sowohl die Teilnehmendenzahl als auch die aktive Beteiligung in den Räumen. Während beim Thema kommunale Zusammenarbeit in Europa die bereits sehr guten Partnerschaften und transnationale Initiativen betont wurden, regte der Themenraum rund um den europäischen Arbeitsmarkt zu lebhaften Diskussionen und Erfahrungsberichten bezüglich des Erasmus+-Programms sowie den negativen Auswirkungen des Brexits an. Einigkeit bestand darüber, dass das Erasmus-Programm wertvolle Austauschmöglichkeiten bietet und weiter ausgebaut werden muss, insbesondere im Hinblick auf das duale Ausbildungssystem. Der SPD-Europawahlkandidat Tanyel Taş sprach sich sehr deutlich für die Freizügigkeit im Arbeitsmarkt aus und beleuchtete die Vorteile der Arbeitsmigration. Auch gegenüber der Anregung einer Teilnehmerin, es solle auch einen europäischen Praktikantenstatus zusätzlich zum europäischen Hochschulabschluss geben, zeigte er sich offen, ergänzte, man müsse auch Schul- und Ausbildungsabschlüsse integrieren und betonte: „Da müssen wir meiner Meinung nach noch besser werden und mehr subventionieren.“
Im Raum „Europas Wege zu einer effektiven Geldpolitik“ wurden neben der Sorge um den Fortbestand des Bargelds auch Fragen der Kriminalitätsbekämpfung, der Wettbewerbsfähigkeit und der Bargeldobergrenze im Zusammenhang mit dem digitalen Euro thematisiert. Engin Eroglu, Abgeordneter der Freien Wähler im Europäischen Parlament, erklärte, welche Fragen sich den Expert*innen bezüglich des digitalen Euros gestellt haben und inwieweit die Endverbraucher*innen tatsächlich von einer Einführung betroffen sein könnten. Anhand des Beispiels des Tankvorgangs legte er dar, wie das KI-basierte System des digitalen Euros Arbeitsprozesse im Zusammenhang mit Geldströmen vereinfachen und dadurch Verwaltungsarbeit einsparen könnte. Der Gesprächsfokus wanderte von Herausforderungen der EZB in der Coronazeit bis zu einem möglichen Bankrun infolge einer Einführung des digitalen Euro und beleuchtete dabei sowohl Vor- und Nachteile des Projekts als auch Herausforderungen in der Umsetzung. Mit Verweis auf die nötigen Maßnahmen in der Infrastruktur blieb Eroglu jedoch sehr realistisch: „Ich glaube, wenn wir heute in 10 Jahren so weit sind, dann haben wir viel geschafft.“
Im Themenraum zu regionalen Fördermitteln der EU erfolgte ein sehr detailliertes Gespräch über vergangene und aktuelle Förderungen, förderbare Projekte und die Funktionsweise der Antragsstellung. Dabei wurde deutlich, dass große Unternehmen, Universitäten und außeruniversitäre Einrichtungen über einen großen Vorteil gegenüber kleinen Regionalverbänden verfügen, da die Antragstellung einen komplizierten Prozess darstellen kann und die genannten großen Einrichtungen über Angestellte mit entsprechender Expertise verfügen. Als nötiges Projekt für die Zukunft hat sich daher herauskristallisiert, die Antragsmodalitäten zugänglicher zu machen.
Auch der Raum zum Thema Klima- und Verbraucherschutz bot Gelegenheit, über spezifische Baumaßnahmen und kommunale Projekte in Aschaffenburg zu diskutieren, ganz vorn dabei waren Themen wie Eigenverantwortung, Agrarsubventionen und Radwege. Die anwesenden Experten aus dem Stadtrat von Aschaffenburg bedauerten fehlende Vorgaben seitens der Politik, erläuterten Positivbeispiele aus den Nachbarländern und ermutigten die Anwesenden, selbst aktiv zu werden und sich zu informieren. Konsens bestand außerdem bezüglich der nötigen Priorisierung des Radverkehrs in den Kommunen.
Im sechsten Themenraum wurde die Lage der Demokratie im Hinblick auf die anstehenden Europawahlen diskutiert. Dabei wurden Gefahren von innen und außen, der Rechtsdruck in Deutschland und der Angriffskrieg Russlands angesprochen und mit einer Expertin der Gruppe Omas gegen rechts Strategien ausgetauscht, wie man Diskussionen mit Leuten führen kann, die der extremen Rechten angehören oder sich durch Populismus in deren Richtung ziehen lassen. Eine Vertreterin des Bündnisses Aschaffenburg ist bunt gab dennoch zu bedenken, dass man gerade bei solch schwierigen Gesprächen derart „mit Hass überschüttet wird“, dass ein Gespräch kaum möglich sei. Bei der Frage nach dem Grund des Wiederauflebens der extremen Rechten verwies eine Teilnehmerin auf die Krisen der vergangenen Jahre, insbesondere auf die Corona-Pandemie und vermutete eine allgemeine Erschöpfung in der Bevölkerung, die sich auch in das Politische hinein ausgewirkt hat: „Vielleicht haben wir selber nicht mehr die Fähigkeit, diese anstrengende Demokratie als etwas Positives wahrzunehmen“.
Nach zwei Diskussionsrunden in den verschiedenen Räumen kehrten die Teilnehmenden und Expert*innen schließlich wieder in das Plenum zurück, um sich über die Ergebnisse der einzelnen Diskussionen auszutauschen. Anschließend fand die Veranstaltung bei einem Empfang mit Buffet und der Gelegenheit, weiter ins Gespräch zu kommen, einen offenen Abschluss.
Der Europäische Bürgerdialog in Aschaffenburg wurde organisiert von der überparteilichen Europa-Union Deutschland in Kooperation mit der Europa-Union Aschaffenburg. Die Veranstaltung ist Teil der bundesweiten Veranstaltungsreihe „European Townhall Talks 2024“ und wurde gefördert durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie das Europäische Parlament.
Bericht: Eva Mall [EUD]
Das MAIN ECHO berichtete am 27. April ausführlich unter der Überschrift
Viel Beifall für Bekenntnis »Europa ist für uns existenziell«